Carsten Wunn: "Die Flora schlägt zurück"

»Wir dagegen haben immer noch unser Ziel vor Augen. Das Ziel, das kein Geringeres ist als die Rettung der Menschheit, der Fauna und unserer gemeinsamen Zivilisation. Wir wissen beide, wie groß diese Aufgabe ist, welche Erwartungen an uns hängen und dass wir zum Erfolg verdammt sind. Gleichzeitig ist uns aber auch bewusst, dass es weltweit kein weiteres Team gibt, das über ähnlich erfolgversprechende Qualifikationen verfügt.«

 

Eigentlich wollte Carsten – seines Zeichens Schriftsteller und Chronist der Parallelgesellschaft der Tiere – nur nach einer durchzechten Nacht chillen. Doch dann erhält er einen mysteriösen Anruf: Besuch kündigt sich an. Sammy, ein sprechender, baldrian­süchtiger Kater, der die Sprache der Pflanzenwelt versteht, bittet Carsten um dessen Hilfe. Die Angriffe der Pflanzen auf Mensch und Tier nehmen zu! Die Flora schlägt zurück und will sich für die schlechte Behandlung rächen! Die Pflanzen werden schon ihre guten Gründe haben. Vielleicht steckt auch mehr dahinter. Vielleicht wurden sie durch ein gezüchtetes Killervirus in einem geheimen Labor unfreiwillig zur ausführenden Gewalt eines verrückten Wissenschaftlers? Das klingt zu absurd, oder?

 

Carsten Wunns humoristischer Abenteuerroman erzählt die Helden­reise des menschlichen Ich-Erzählers Carsten und des Katers Sammy, die das Mysterium um die Fauna-Attacken lösen wollen und dabei auf verschiedensten Transportwegen durch ganz Deutschland reisen müssen. Auf ihrem aberwitzigen Roadtrip begegnen sie vielen neuen und alten Freunden, die dabei helfen, nichts weniger als die Welt zu retten. Aber sie treffen auch auf alte Feinde!

ISBN 978-3-940853-96-7

ca. 250 Seiten

EUR 15,-

 

Leseprobe Kapitel 1

 

Ein Anruf mit Folgen

Das laute Klingeln des Telefons reißt mich abrupt aus dem Schlaf. Ich reibe mir die Augen und schaue auf den Wecker. 14 Uhr 23. Nach einer solchen Nacht eigentlich zu früh. Die Jahreshauptversammlung des örtlichen Bahnengolfclubs ist gestern derart ausgeufert, dass ich mich frühzeitig verabschiedet und ›Bei Erwin‹, meiner Stammkneipe, einen kleinen Umtrunk mit mir selbst veranstaltet habe. Dunkel erinnere ich mich an Erwins Fußtritt zur Sperrstunde und noch dunkler daran, auf dem Heimweg fast von einem Holunderstrauch erschlagen worden zu sein. Oder ist es Brombeere gewesen?

Ich reibe mir erneut die Augen, gähne kurz und hebe den Hörer ab.

»Carsten Wunn.« Ich stütze mich auf die Bettkante. Puh, ist mir schwindelig!

»Mein Name ist Boll«, ertönt eine hohe Stimme aus dem Telefon. Eine sehr hohe Stimme. Vielleicht eine Spur zu hoch für meinen geplagten Schädel. »Dr. Piwiane Boll.«

»Kenne ich nicht.«

»Ich weiß. Aber Sie kennen Sammy Kater. Das ist doch richtig, oder?«

Ich nicke, bemerke meinen Fauxpas gerade noch und grunze zustimmend.

»Ich muss Sie dringend sprechen! Ich habe eine Nachricht für Sie! Eine wichtige!«

Ich grunze erneut, diesmal ablehnend. »Muss das sein? Es passt gerade nicht so gut.«

»Ja, es muss sein!«

Das ist deutlich. Ich habe zwar überhaupt keine Lust zu telefonieren, weder mit ihr, noch mit irgendjemand anderem, aber bevor diese Hysterikerin noch zwölfmal anruft …

Ich stelle das Telefon auf laut, gieße mir ein Glas Wasser ein und greife nach der Aspirin–Schachtel. Sieben Tabletten müssten reichen.

»Was ist mit Sammy?«

Die Stimme am Telefon klingt aufgeregt. »Er kommt gleich!«, piepst sie in den Hörer.

»Wie, er kommt gleich? Wer kommt gleich?«

»Sammy. Er ist auf dem Weg zu Ihnen!«

Ich stöhne und greife mir an den Bauch. Seit Mittwoch schlage ich mich mit einer schmerzhaften Wurmfortsatzprellung herum. Ergebnis eines Arbeitsunfalls beim Schreibtischneusortieren. Ich hatte das Fenster kaum geöffnet, da warf ein Windstoß sämtliche Notizen wild durcheinander. Beim Versuch, der Blätter habhaft zu werden, rammte ich mit Karacho gegen die Tischkante. Das Übliche halt …

»Ich kann jetzt nicht!«

Es klingelt. Diesmal an der Tür. Ich stelle mich tot. Bewege mich nicht, sage nichts. Versuche, nicht zu atmen. Es klingelt erneut.

»Jetzt gehen Sie schon ran.« Die Stimme am Telefon überschlägt sich, erreicht ungeahnte Höhen. »Es geht um Leben und Tod!«

Das ist ein Argument. Es klingelt wieder, mehrfach hintereinander und in schnellen Intervallen.

Ich schlurfe zur Tür und frage mich, was mir gerade die größten Schmerzen bereitet: der Kopf, mein Bauch oder die unvermeidliche Aussicht, wieder aus meinem geregelten Leben gerissen zu werden.

Ich öffne. Tatsächlich: Das ist Sammy Kater. Unverkennbar. Klein, grau-getigert, europäisch Kurzhaar und mit schwarzer Hannover-96-Mütze auf dem bepelzten Schädel.

»Darf ich reinkommen?«

Er lächelt. Ich schnaufe zustimmend. Im Telefon piepst die Doktorin. »Ist er schon da?«

Ich nicke wieder, erkenne erneut meinen Fehler und stöhne ein gequältes »Ja« in Richtung Hörermuschel.

»Gut. Dann lege ich jetzt auf. Er wird Ihnen alles Nötige erzählen. Vor Ort kann er das besser als ich. Außerdem kennt ihr euch schon!«

In der Zwischenzeit ist Sammy an mir vorbei ins Wohnzimmer gehuscht. Schlurfend folge ich ihm und schaue mich um. Er hat es sich in meinem Ohrensessel bequem gemacht. Aus der Telefonanlage tönt penetrant das Besetztzeichen. Ich drücke den Aus-Knopf. In meinem Ohrensessel hat der Kater schon damals gerne gesessen. Vor Jahren, als er mir die Geschichte von der Befreiung der Schwanzlurche aus der Atta-Höhle erzählt hat. Ich habe sie nach seinen Berichten in Romanform gefasst, später ist sie unter dem Titel ›Unter Olmen‹ erschienen. Eine intensive, aber weiß Gott keine einfache Zeit. Wahrscheinlich wird er wieder irgendetwas in dieser Richtung wollen und hat diese Piwiane Boll vorgeschickt, um mich schon im Vorfeld unter Druck zu setzen. Das sieht ihm ähnlich. Geduld oder Rücksichtnahme sind noch nie sein Ding gewesen. Ich presse meine rechte Hand gegen den Bauch und nehme dem Kater gegenüber Platz. Ist mein Blinddarm nicht längst entfernt worden? Ich meine, mich an eine Operation in der Kindheit zu erinnern. Woher sollte die Narbe im Bauchbereich auch sonst stammen? Ich beschließe, es mit dem Nachdenken morgen noch einmal zu versuchen, setze ein Lächeln auf, schaue Sammy so freundlich an, wie es mir in meinem Zustand möglich ist und sage:

»Schieß los!«

Schließlich brauche ich das Geld.

 

 

 

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